Heute darf ich den Gastbeitrag von Stefanie Steiner veröffentlichen. Sie schreibt über die schwierige Ausnahmesituation nach der Geburt ihres Sohnes Nael. Nael kam mit einem Herzfehler zur Welt. Es ist die Geschichte, wie aus einem vermeintlichen Unglück allmählich die ganze Familie dank viel Kraft und Einsatz zu einem glücklichen Leben miteinander wachsen durfte.
Stefanie wohnt mit ihrer Familie in der Region Baden. Weil sie am eigenen Leib erfahren hat, wie wichtig der Austausch in den Anfangsmomenten nach der Geburt gewesen wäre, hat sie zusammen mit zwei Kolleginnen den Verein Fontanherzen Schweiz gegründet.
Der Verein bietet Familien in ähnlicher Situation eine Anlaufstelle und mit der von ihr ins Leben gerufenen Aktion „Zeig Herz – trag Rot“ transportiert sie das Thema der Herzkinder in die Öffentlichkeit.
Nael Löwenherz
An einem heissen Tag im August kommt Nael zur Welt. Die Geburt ist geplant, Ärzte stehen bereit. Nael ist blau, als ich ihn das erste Mal sehe. Doch nach kurzer Zeit schreit er und sie nehmen ihn mit. Schliessen ihn an Kabel an, legen Zugänge in seine kleinen Händchen und Füsschen. Dann darf ich ihn ein paar Minuten halten, bevor er ins Kinderspital verlegt wird.
Naels linke Herzseite ist viel zu klein, Aortenklappe und Aorta verkümmert. Hypoplastisches Linksherz, das haben wir bereits in der 19. Schwangerschaftswoche erfahren.
Der Kreislauf wird durch Medikamente aufrechterhalten, an seinem 9. Lebenstag wird Nael zum ersten Mal an der Herz-Lungen-Maschine operiert.
Vielleicht siehst du sie kommen. Vielleicht erwischt sie dich völlig unerwartet. Aber dann ist sie da. Die Welle. Sie bricht über deinem Kopf. Drückt dich unter Wasser. In die Kälte, die Dunkelheit, das Nichts. Nimmt dir jegliche Orientierung, die Luft zum Atmen.
Dann rollt sie über dich hinweg. Du schnappst nach Luft. Versuchst dich zu orientieren. Das Wasser ebnet sich, der Sturm zieht weiter. Alles scheint normal. Wie immer. Wie vorher. Und doch ist plötzlich alles anders.
Vielleicht siehst du sie kommen. Vielleicht erwischt sie dich völlig unerwartet. Aber dann ist sie da. Die Welle. Sie bricht über deinem Kopf. Drückt dich unter Wasser. In die Kälte, die Dunkelheit, das Nichts. Nimmt dir jegliche Orientierung, die Luft zum Atmen.
Dann rollt sie über dich hinweg. Du schnappst nach Luft. Versuchst dich zu orientieren. Das Wasser ebnet sich, der Sturm zieht weiter. Alles scheint normal. Wie immer. Wie vorher. Und doch ist plötzlich alles anders.
Stefanie Steiner, August 2012
Nael – Sohn des Löwen (afrikanisch)
Wie ein Löwe kämpft Nael. Immer wieder. Während Wochen und Monaten sind wir im Spital. Gefangen in dieser Blase aus Krankheit, Operationen, Ärzt*innen und Ungewissheit.
Draussen fliesst das Leben farbig und schnell, drinnen ziehen sich Tage und Stunden zäh dahin.
Zu Hause die gesunde Schwester. Morgens fröhliches Kinderlachen – nachmittags monotones Monitor-Piepen. Tomatensauce bis an die Ohren – fettfreie Ernährung über die Magensonde. Plappermaul – künstliche Beatmung.
Nael – Sieger, der alles schaffen kann (arabisch)
6.5 Jahre später liegt ein langer Weg hinter Nael. Und hinter uns.
3 grosse Herzoperationen. Akuter Sauerstoffmangel. Multiorganversagen. Sauerstofftherapie. Magensonde. Medikamente.
Fast schon ein kleines Krankenhaus zu Hause. Viele kleinere Eingriffe. Herzkatheteruntersuchungen. Tränen. Kampf.
Und ganz viel Liebe und Lachen. Denn da ist Nael: ein fröhlicher, kleiner Lausbub, der mit seinem Lachen und seinen blonden Locken alle um den Finger wickelt.
Nael – er hat uns verändert
Er hat uns Prioritäten anders setzen lassen. Er hat uns viel gelehrt. Mut zu Unbekanntem. Geduld. Kleine Dinge wertzuschätzen.
Früher konnte ich mir nie ein Leben mit einem Kind mit Behinderung vorstellen, heute kann ich mir mein Leben nicht mehr ohne vorstellen.
Es ist anders. Es ist oft anstrengend. Es braucht viel Kraft. Aber es lohnt sich, immer und immer wieder!
Nael ist nicht allein mit diesem Herzfehler. Rund 30 Kinder werden jährlich mit einer fehlenden Herzkammer geboren, jedes 100. Kind in der Schweiz mit einem Herzfehler.
Am 5. Mai, am Tag des herzkranken Kindes hat die nationale Kampagne „Zeig Herz, trag rot“ auf herzkranke Kinder aufmerksam gemacht und die Öffentlichkeit sensibilisiert. Die Narben unter ihrer Kleidung versteckt, sieht man den Kindern nämlich ihre Krankheit meist nicht an.
2000 rote Mützchen als Zeichen der Solidarität wurden von Freiwilligen genäht, gehäkelt und gestrickt und in vielen Schweizer Spitälern verteilt.
Fontanherzen – Die Anlaufstelle in Deutschland für Angehörige eines Kindes mit univentrikulärem Herzfehler
Herzueberkopf Stefanie Steiner auf Instagram, über das Leben mit einem Kind mit Behinderung.
Eine Antwort auf „Glücklich leben unter erschwerten Bedingungen – Gastbeitrag“
Lieb Dor
Ich bin von diesem Artikel sehr berührt. Wie aus traurigen Umständen, Kraft und Freude wachsen kann. Es animiert mich mit allem, was das Leben bringt vertrauensvoll mitzugehen. Vielen Dank Brigitte