Hand auf’s Herz. Weisst du noch, wie es sich anfühlt, alle Zeit der Welt zu haben? Die Zeit sogar zu vergessen und ganz entspannt auf den Moment einzugehen, der sich vor dir zeigt. Hier eine Annäherung an ein Lebensgefühl, das für uns super gesund sein kann.
Trödeln ist für mich ein Wort, das nicht durch langjährige Erfahrung geprägt ist. Denn trödeln gibt es in meiner gesprochenen Sprache gar nicht. In unserer Gegend in der Schweiz benutzen wir andere Formulierungen. Eine stimmige Übersetzung ist schwierig.
Mögliche Wörter haben eine negative Konnotation. Tämpele zum Beispiel, boah, da wird mir Wind und Weh. Und ich schmunzle, ich habe es mir gründlich abgewöhnt, zur langsamen Garde der „Tämpeler“ (und notabene wurde damals nicht gegendert) zu gehören. Schnell, fit und vital – auch ich wurde infiltriert.
Aber jetzt entdecke ich trödeln. Dieses Wort gefällt mir. Ich gebe mir nun einen eigenen Bezugsrahmen zu diesem Wort. Wenn ich über trödeln nachdenke, entspanne ich, werde ich ruhig und atme durch. Oder wie es Astrid Lindgren sagt:
Mein Lehrer in Neuroplastizität, Rick Hanson, wurde nicht müde zu erwähnen, dass wir noch wie Steinzeitmenschen funktionieren. Wir sind perfektioniert darin, in einem entspannten Zustand zu sein und dann, wenn es notwendig ist, in sekundenschnelle bereit zu sein für eine Aktion.
Mag dies früher der Angriff eines wilden Tieres gewesen sein, den wir abwehren mussten, sind es heute andere Dinge, die unser sofortiges und klares Handeln erfordern.
Achtung! Hirn in Dauer-Aktions-Modus
Du ahnst es, ein Problem entsteht dann, wenn wir zu sehr oder nur noch in Aktion sind. Wenn wir so leben, dass das, was die Ausnahme wäre zu einem Dauerzustand wird.
Aktion um Aktion um Aktion, schön gepaart mit Adrenalin und zack, beim nächsten Hindernis, bei der nächsten erzwungenen Verlangsamung explodieren wir vor lauter überschäumendem Stoffwechsel.
Sei es der Traktor vor uns auf der Strasse, der PC der im leeren dreht, das Kind, das nicht vorwärts macht, der Hund, der ewig schnüffelt und nicht vom Grasbusch weg zu bewegen ist – egal, die List liesse sich endlos erweitern.
Ein Plädoyer für’s Trödeln
Deshalb heute ein gutes Wort für’s Trödeln. Trödeln als Möglichkeit, in unserem Leben ein Gleichgewicht herzustellen von Entspannung und Anspannung, von Ruhe und Aktion. Damit unser Horizont weit bleibt oder wird, damit wir für unsere Umgebung angenehme Zeitgenoss*innen bleiben oder werden und damit wir selber mit Freude und glücklich durchs Leben gehen können.
Ja und wie genau geht nun trödeln, wenn ich die Agenda voll habe, die to do Liste lang ist und die nächsten Ferien in weiter Ferne liegen ? Darüber habe ich mir hier Gedanken gemacht. Mit praktischen Hinweisen, was du jederzeit und sofort tun kannst.
Lass uns in eine Kommunikation kommen. Ich freue mich über Gedanken, die du dir dazu machst als Kommentar unten. Du bist richtig gut in Trödeln – erzähl doch, wie du es angehst.
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14 Antworten auf „Von der Kunst des Trödelns“
Liebe Doris, wie schön von dir die ‘Erlaubnis’ für’s Trödeln zu bekommen. Seit ich Frühpensioniert bin, komme ich immer wieder in Situationen in denen ich mich für meinen weniger Action und Termin beladenen Alltag rechtfertigen muss. Die Frage, ob es mir den nicht langweilig sei und ich nicht dies oder das machen wolle, höre ich oft. Dies verunsichert mich dann schon manchmal und setzt mich auch unter Druck. Aber warum soll ich etwas ändern wenn es mir dabei gut geht und ich mich wohl fühle? Gruppendruck, nicht als langweilig da zu stehen, mitreden zu können, IN zu sein und auch einen stressigen Alltag zu präsentieren? Freue mich auf weitere Inputs von dir. Herzlich Annalis
Liebe Annalis, es ist sehr schön, das von dir zu lesen. Ich wünsche dir immer mehr Vertrauen in dein eigenes Handeln und ich würde dir ja tausendfach die Erlaubnis zum Trödeln geben, wenn es denn in meiner Macht wäre. Sehr herzlich Dor
Liebe Doris, vielen Dank für diesen tollen inspirierenden Artikel. Mir hat sehr gefallen, dass Du schreibst, Du findest einen eigenen Bezug zu diesem Wort, und füllst es mit Deinem Inhalt. Was ist es für mich? Für mich heißt Trödeln in erster Linie langsamer werden in dem, was ich tue. Mir mehr Zeit lassen, abschweifen, Umwege zulassen, vom Ziel abkommen, kein Ziel mehr haben:-). Und aus diesem langsamer werden, erwächst dann das Sein. Das Sein im Augenblick, wenn die Zeit anhält und auch während des Trödelns, als würde sich aus dem immer noch langsamer werden eine Ruhe und Stille formen. Dann bin ich nur ich und einfach da. Das Trödeln ist das das hin zu….diesem Moment. Danke, sehr herzlich, Bettina
Liebe Bettina, das wunderbare Ergänzungen zum Artikel. Mich fasziniert vor allem deine Beschreibung des „Hin zu … diesem Moment“. Ein sehr beruhigender und schöner Gedanke. Herzlichen Dank. Dor
Liebe Doris,
wunderbar geschrieben und so wichtig in unserer Zeit des Immer-noch-höher-schneller-weiter.
Ich mache mich zweimal im Monat auf zu einem „Kreativen Streifzug“ – auch das ein Wort, das genauso schön ist wie trödeln: Streifzug, herumstreifen, Ideen einsammeln, ziellos, achtsam schauen, was passiert …
Liebe Grüße
Karin
Liebe Karin,
herzlichen Dank für deinen Mut machenden Kommentar. Ein kreativer Streifzug! Das ist nicht nur eine sehr schöne Wortwahl, sondern dazu entsteht auch ein bewegtes, freudiges Bild in mir. Ich persönlich habe Inspirationstage etabliert. Ich wünsche es uns allen, dass wir uns immer wieder auf unsere eigene Art dem Leben öffnen können.
Liebe Grüsse Doris
Liebe Doris
Trödeln……??? :o)
Ja, ich muss mir eingestehen, meine to do Liste in letzter Zeit war sehr lang. Aber mein lieber Ares zwingt mich immer wieder zur Trödelei(lach), wenn er an so manchem Grashalm, Blätter, Blumen rumschnüffelt und mich ansieht und mir mitteilt: was hast du auch immer für einen Stress, nimm dir Zeit und geniess den Moment.
Liebe Grüsse
Susanna & Trödlermeister Ares
Liebe Susanna, „Trödelmeister Ares“ – köstlich. Ich kann mir gut vorstellen, dass er ALLES gibt, damit du auch ins Trödeln kommst. Herzlich Doris
Liebe Doris
Ich fühle mich gerade im Moment erwischt…
„Achtung! Hirn in Dauer-Aktions-Modus“, jaaaaa den Dauer-Aktions-Modus ist bekannt und ich bemerke gerade, dass ich das Trödeln dieses Jahr sehr beiseite geschoben habe. Dieses muss ich, dieses soll ich, usw.
Danke fürs bewusst machen.
Ich freue mich daher sehr auf den Dezember. Denn dies ist seit wenigen Jahren, „mein“ Monat des Trödelns. Termine werden auf das Allerwichtigste reduziert, der Fokus liegt auf der Familie und dem Genuss.
Herzensgruss Nadja
Liebe Nadja, das ist ja schön, dass du dir einen ganzen Monat Zeit nimmst. Ich finde es eine sehr inspirierende Art, Genuss und Trödelei ins Leben einzuladen. Herzlich Doris
Liebe Doris, mir gefallen deine Gedanken sehr. Fühle mich davon zum Trödeln animiert. Einfach sein und das Leben wach erleben. Mich vom Moment tragen lassen. Freue mich auf den nächsten Blogg. Liebe Grüsse. Brigitte
Liebe Brigitte, „das Leben wach erleben“ – wie schön. Bis zum nächsten Artikel. Doris
Hallo Doris, das ist sehr schön geschrieben – und ich liebe „trödeln“. Ich kann das tatsächlich, du kennst meinen „Lebensplatz“ und da halte ich es wirklich so, wie Astrid Lindgren „Ich sitze einfach da und schaue“ und dabei komm ich total runter und hab dann hinterher, das Gefühl, das ich ganz „weit weg war“, das ist wie eine Art „kurze Meditation“ und einfach nur schön. Das konnte ich aber auch früher nicht, dass ich meine Gedanken ausschalte, aber das ist ein Vorteil des „Älterwerdens“, man nimmt nicht mehr alles im Leben so wichtig – bzw. sich selber mehr wichtig. Freu mich auf den nächsten Artikel. Alles Liebe Karin
Liebe Karin, das ist ja klasse! Und klingt richtig verheissungsvoll in Sachen älter werden. Da wünsch ich dir weiter schönes Trödeln. Dor